
In der Serie Mäi Quartier aus dem Luxemburger Wort, hat Diana Hoffmann sich mit dem Rham-Plateau beschäftigt.
Ein Besuch auf dem Rahm-Plateau lohnt sich. Umfangreiche Restaurierungsarbeiten lassen die Geschichte hier lebendig werden. Wo einst Soldaten ihre vorübergehende Bleibe hatten, ist heute Henriette Arnoldy-Meyers zu Hause, wie 219 weitere Senioren.
Von Diana Hoffmann, Luxemburger Wort
Das Ende des Mittelalters steht kurz bevor – wir schreiben das 15. Jahrhundert. Um die Festung vor Feinden zu schützen, werden die Ringmauern von den Besetzern ständig erweitert. Auch das Rham- Plateau wird in dieser Zeit Teil der Befestigungen. Wieso genau es dazu kam, bleibt bis heute ein Rätsel. Robert Wagner, Präsident der „Frënn vun der Festungsgeschicht Lëtzebuerg“, vermutet, dass einst das Vieh hier graste. Vor Einbruch der Dunkelheit wurde es in den Schutz der Festung getrieben.
Heute ist hier etwas mehr los. Servior betreibt seit 1981 einen Seniorenwohnkomplex. 220 Personen wohnen und leben darin. „Es ist wie ein kleines Dorf“, erzählt die 79-jährige begeisterte Bewohnerin und Präsidentin des Heimrates, Henriette Arnoldy-Meyers. „Hier ist so viel los, ich muss nicht einmal bis in die Stadt fahren“. Seit fünf Jahren lebt sie auf dem Rham–Plateau. Für sie ist es zu einer Art Stadtviertel geworden, wo sie viele Freunde gefunden hat. Doch zurück zum Anfang. Als Dinsel wird das Plateau 1390 erwähnt – möglicherweise, da es wie eine Halbinsel von der Alzette umgeben ist . In großen Fässern im Boden wurde hier zu dieser Zeit Kalk gebrannt um Mauern zu bauen. Damals war der Zement noch nicht erfunden.
Vaubans Kasernen
In Kriegszeiten bestand die luxemburgische Bevölkerung innerhalb der Festung bis zu einem Drittel aus Soldaten und die wollten auch untergebracht werden. Die ersten Gebäude auf dem Rham-Plateau wurden 1685 vom französischen Ingenieur und Festungsbauer Vauban direkt hinter den Wehrtürmen der Festungsmauer errichtet. In fünf Kasernen lebten insgesamt 2 090 Soldaten. In einem Pavillon waren 330 Offiziere stationiert und 1 760 Soldaten in den vier Kasernen. Platz war aber nur für etwa 800 Männer. So teilten sich drei Männer ein Bett. Zeitgleich war einer im Dienst, ein anderer hatte Bereitschaft und der Dritte schlief.
Etwa 200 Jahre nach dem Bau der Kasernen übernehmen die Preußen die Festung. Sie bauen die Wasserversorgung aus, mit einem Brunnen und einem Wasserturm. Und es werden zwei weitere Gebäude errichtet. Ein Speisesaal samt Küche und 1863 eine weitere Kaserne. Diese ist bombensicher. Im Ernstfall konnten Teile des Daches abgebaut und mit einer Schicht aus Boden bedeckt werden, sodass die Bomben abfedern. Die Konstruktion ist jedoch nie zum Einsatz gekommen. Nach der Schleifung der Festung bestand kein Grund mehr Soldaten zu kasernieren.
1882 ist das Hospiz in Ettelbrück maßlos überfüllt. Die Menschen aus der sozialen Einrichtung werden auf dem Rham–Plateau untergebracht – zunächst sind es Taubstumme und Waisenkinder, um die sich die Schwestern der Sankt-Elisabeth-Kongregation kümmern. Die ehemalige Küche samt Speisesaal lassen sie zu einer kleinen Kapelle umbauen. Etwas später entsteht hier auch ein Altenheim. Das gesamte Plateau ist zu dieser Zeit mit einem riesigen Gitter umzäunt. Und auch der Innenhof ist durch Gitter getrennt. Männer und Frauen, alt und jung sollten nicht miteinander in Kontakt kommen. Der Satz: „Wann’s du dech net schécks, geess de op d’Rumm“, mit dem Eltern ihren unartigen Kindern drohten, mag noch einigen bekannt sein.
Seniorenwohnkomplex
Eine solche Atmosphäre findet sich hier heute nicht mehr. Nachdem Servior die Gebäude übernommen und renoviert hat, ist daraus ein Seniorenheim geworden. Aus den Kindertagesstätten der Umgebung erhalten die Bewohner mehrmals im Monat Besuch. Und auch für Animation ist täglich gesorgt. Marcel Bausch, Direktionsbeauftragter des Cipa Servior „Op der Rhum“, hat klare Vorstellungen für die Zukunft: „Der Innenhof soll mit Touristen und Besuchern belebt werden.“ Seit 2015 führt auch der Wenzelspfad über das Rham-Plateau. Den Bewohnern des Seniorenheims wird sicherlich nicht langweilig, wie Henriette Arnoldy-Meyers weiß. Sie zeigt den Animationsplan. Vom Englischkurs über Zumba, Djembé, Tai Chi und Gospelchor: Das Programm ist gut gefüllt. Letztgenannter Gospelchor lässt die Augen der Präsidentin des Heimrates aufleuchten. „Hier singen Bewohner im Alter zwischen 70 und 94 Jahren“, verkündet sie etwas stolz.
Bei schönem Wetter können die Bewohner die Aussicht von ihrem kleinen „Dorf“ auf die Heiliggeistzitadelle und die Corniche genießen. Bei Schlechtwetter dagegen brauchen sie nicht einmal einen Regenschirm – alle Gebäude sind durch einen 440 Meter langen Tunnel verbunden.
„Mäi Quartier“: Von Kanonenfeuer bis Gesang (PDF, Luxemburger Wort, 05/03/2016)
Über SERVIOR
Mit 1650 Betten ist SERVIOR der größte Betreiber von Wohnstrukturen für ältere Menschen in Luxemburg. Derzeit verwaltet SERVIOR 15 Einrichtungen, darunter 8 Altenheime, 6 Pflegeheime und 1 Seniorenresidenz. Außerdem bietet SERVIOR regelmäßig 650 Menschen in 26 verschiedenen Gemeinden Essen auf Rädern an und betreibt eine Tagesstätte für Senioren.. Das öffentlich-rechtliche Unternehmen beschäftigt über 1750 Mitarbeiter, davon mehr als die Hälfte im Pflegebereich.